Die
Sessio - der Priestersitz
Im
heutigen Evangelium hören wir: "Jesus stieg in das Boot,
das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land
wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus"
(Lk 5,3). Auch an anderen Stellen ist davon die Rede, dass sich Jesus
an einem besonderen Platz setzte, um von dort aus das Volk zu belehren,
so etwa bei der Bergpredigt (vgl. Mt 5,1-2).
Ausgehend von diesen biblischen Stellen, war die ursprüngliche
Körperhaltung des Vorstehers einer liturgischen Versammlung das
Sitzen. So war es jahrhundertelang Tradition, dass der Bischof auf
der "Kathedra", dem Bischofssitz, saß, von wo aus
er dem Wortgottesdienst vorstand und auch die Auslegung der Heiligen
Schrift in der Predigt vortrug. Um die Autorität des bischöflichen
Amtes zu betonen, war der Bischofsstuhl in der Regel nicht nur prachtvoll
gefertigt, etwa aus kostbarem Marmor oder kunstvoll geschnitzt, sondern
auch um einige Stufen erhöht und manchmal sogar von einem Baldachin
überdacht.
Die Kathedra
befindet sich allerdings nur in den Bischofskirchen. In allen anderen
Kirchen gibt es die sogenannte Sessio, den Sitz für den Priester,
der der liturgischen Feier vorsteht. Besonders nach der Liturgiereform
des zweiten Vatikanischen Konzils wurde darauf geachtet, dass in allen
Kirchen eine Sessio errichtet wurde. Diese ist zwar weniger hervorgehoben
als der Bischofssitz, ist aber dennoch von den übrigen Sitzplätzen
deutlich unterschieden.
Die Funktion
der Sessio besteht darin, dem Priester einen Ort zu geben, von wo
aus er seiner Aufgabe als Leiter des Gottesdienstes gut gerecht werden
kann. Von daher soll die Sessio an einer Stelle sein, die von der
ganzen versammelten Gemeinde gut einsehbar ist und die es dem Priester
erlaubt, mit der Gemeinde in Blickkontakt zu treten. Schon von der
Lage der Sessio her sollte daher verständlich werden, dass der
Vorsteher auf die feiernde Gemeinde hingeordnet ist, mit der er in
einen Dialog tritt, was besonders durch die Antworten der Gemeinde
zum Ausdruck kommt, z.B. antworten auf die Grußformel "Der
Friede des Herrn sei mit Euch" alle mit "Und mit deinem
Geiste!"
Wichtig
ist, dass der Priester einerseits von der Sessio aus von allen gut
gesehen und gehört werden kann, dass die Sessio andererseits
aber auch den Blick zum Altar nicht verstellt. In der Regel sollte
deshalb die Sessio ihren Platz seitlich vom Altar haben und dem Volk
zugewandt sein.
Nach den liturgischen Regeln steht die Sessio klar im Altarbereich,
weil damit auch die tiefe spirituelle Bedeutung deutlich wird, auf
die das zweite Vaticanum in der Liturgiekonstitution hingewiesen hat,
dass nämlich in der Person des Priesters, der den Gottesdienst
leitet und den priesterlichen Dienst vollzieht, die immerwährende
Gegenwart Christi inmitten seiner Kirche zum Ausdruck kommt.
P.
Martin M. Lintner