Haus Gottes und der Menschen

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erstellt am 26. September 2004

Haus Gottes und der Menschen

Es ist für mich jedesmal bewegend, wenn ich bei einer Taufe die Eltern, Paten, Angehörigen und Familienfreunde eines Täuflings im Eingangsbereich der Kirche begrüßen darf. Dann lade ich die Eltern, die für ihr Kind die Taufe erbitten, ein, den Täufling hineinzutragen in die Kirche. Durch dieses physische "In-die-Kirche-Hineintragen" kommt etwas ganz Wesentliches der Taufe zum Ausdruck: Durch sie wird das Kind aufgenommen in die Gemeinschaft der vielen Menschen, die sich in dieser Kirche, innerhalb dieser Mauern, versammeln zu Gebet, Bitte, Dank und Lob, eben zum Gottesdienst.

Kirche aus Menschen

Damit wird schon deutlich, dass eine Kirche als Bau nicht einfach nur die Mauern oder das Dach meint, die eben jenen Ort abgrenzen bzw. umfassen, in dem sich eine Gruppe von Menschen versammeln kann, sondern dass sie zum Sinnbild wird für die Gemeinde selbst, die sich in ihr versammelt. Die Steine, aus der die Kirche errichtet ist, sind die Gläubigen: "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen!" (1 Petr 2,5). Ohne sie bleibt ein Kirchenraum, mag er noch so prächtig sein, leblos. Erst die in ihr versammelte Gemeinde verleiht ihr Leben und Sinn. Daher ist zu Recht bei der Gestaltung eines Kirchenraumes darauf zu achten, dass er den Anforderungen eines Versammlungsraums entspricht (vgl. Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils; Allgemeine Einführung ins Römische Meßbuch, Nr. 280).

Versammlungsort und Gegenwart Gottes

Die Gemeinde versammelt sich in der Kirche im Namen des dreifaltigen Gottes. Daher wird jede liturgische Feier mit dem Kreuzzeichen und den Worten "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" eröffnet. "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20), hat Jesus seinen Jüngern verheißen. Die "Gegenwart des Herrn in der liturgischen Gemeinde" ist deshalb das nächste wichtige Element für die Gestaltung des Kirchenraumes. Als "Fixpunkte" gelten jene beiden Orte, die auf ihre je eigene Weise Christus versinnbildlichen, nämlich der Altar und der Ambo (vielleicht erinnern Sie sich an unsere Predigtserie zu den liturgischen Orten im vergangenen Arbeitsjahr?). Sie sollen so gestaltet und im Kirchenraum situiert sein, dass erkenntlich wird, dass die liturgische Gemeinschaft auf sie hin ausgerichtet ist. Alles "andere" sollte den Blick darauf nicht verstellen.

Kunst als Mittlerin

Es ist daher eine besondere Herausforderung für die (künstlerische) Gestaltung eines Kirchenraumes, in Zeichen und Symbolen das Geheimnis der Gegenwart des Herrn in der liturgischen Gemeinde darzustellen, denn diese Gegenwart feiert die Gemeinde in der Liturgie. Unsere Schwestern und Brüder der Ostkirchen nennen die Eucharistie die "Feier der Göttlichen Geheimnisse". Kirchenräume sind in dieser Hinsicht der - mehr oder weniger gelungene - Versuch, den Himmel, die "göttliche Herrlichkeit", "herunterzuholen" auf die Erde bzw. die Erde aufzubrechen gegen den Himmel. In vielen Darstellungen von biblischen Szenen und Heiligen wird die "himmlische Kirche" hereingeholt in den Kirchenraum. Es soll deutlich werden, dass die liturgische Gemeinde jetzt schon teilhat an der Gemeinschaft mit Gott, an jener Herrlichkeit, die ihr verheißen ist.


Barocke Kunst für heute?

Ein Blick in die Kunstgeschichte macht deutlich, wie unterschiedlich solche Versuche, ganz dem Empfinden und dem Lebensgefühl verschiedener Kulturepochen entsprechend, ausfallen. Der Barock versucht in einer überschwänglichen Ausstattung, in Prunk und Pracht den Himmel zu versinnbildlichen und in den Kuppelfresken einen direkten Blick in den geöffneten Himmel zu eröffnen, den Kirchenraum in diesem Sinn zu verlängern hinein in die Herrlichkeit des Himmels.
Wie gesagt, religiöses Empfinden und Lebensgefühl der Menschen ändern sich, und so ist es wichtig, auch heute wieder neue Ausdrucksformen zu finden, die die Liturgie nicht nur als "himmlisches Schauspiel", sondern als einen konkreten und feierlichen Vollzug der von Gott geschenkten Gemeinschaft zulassen.

fr. Martin M. Lintner OSM